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Solidarität unter Autokraten und Despoten PDF Drucken

Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 01.04.2009

Offener Streit hat zum vorzeitigen Ende des Gipfels der Arabischen Liga in Katar geführt. Der libysche "Revolutionsführer" Muammar el-Gaddafi warf dem saudischen König Abdullah vor, hinter sich nur Lügen und vor sich nur das Grab zu haben. Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki befand, seine Erfolge würden nicht angemessen gewürdigt. Während für die einen der Iran als Partner gilt, sahen die anderen in ihm ein Sicherheitsrisiko. Auch das Verhältnis zur Hamas sorgte für Zwietracht. Einig waren sich die Vertreter von 21 arabischen Staaten allerdings in einem zentralen Punkt der Tagesordnung: Wie ein Mann stellten sie sich vor den sudanesischen Staatspräsidenten Omar al-Baschir, gegen den der Internationale Strafgerichtshof (ICC) Anfang März einen Haftbefehl ausgestellt hat.


Die Solidarität mit Baschir, der zum Gipfel angereist war, ist eine Solidarität unter Autokraten und Despoten. Folter, Pressezensur, Unterdrückung der Opposition sind in den meisten arabischen Ländern Standard. So erstaunt nicht, dass nur zwei Staaten der Arabischen Liga das Statut des ICC ratifiziert haben: Jordanien und Dschibuti. In allen andern arabischen Ländern kann sich Baschir frei bewegen.

Die Haltung der Arabischen Liga ist eine offene Kampfansage an den ICC, den Gaddafi als Repräsentanten des "neuen Weltterrorismus" diffamierte. Der syrische Staatschef Baschar al-Assad warnte vor dem Versuch, "den Sudan zu zerstückeln und seiner Reichtümer zu berauben". Von den 250 000 Toten und den drei Millionen Vertriebenen in Darfur war auf dem Gipfel nicht die Rede. Doch beklagten sich die Herren in Katar, dass der ICC immer nur gegen die Schwachen vorgehe und die Starken schone und mit zweierlei Ellen messe. Das stimmt in der Tat und kratzt an der Legitimität des Weltstrafgerichts. Bisher ist der ICC nur in vier Staaten tätig geworden - und sie liegen alle in Afrika. Es gäbe guten Grund, wegen Verletzung des humanitären Völkerrechts auch gegen die USA im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg, gegen China wegen der Niederschlagung der Unruhen in Tibet und gegen Israel wegen des Krieges im Gaza-Streifen zu ermitteln.

Doch die realen Machtverhältnisse lassen es nicht zu. Soll man aber einen Kriegsverbrecher unbehelligt lassen, bloß weil man nicht aller Kriegsverbrecher dieser Welt habhaft werden kann? Man mag zudem im Einzelfall, auch im Fall Sudan, befürchten, dass die Durchsetzung des Rechts zu einer Verschärfung des Krieges führt. Im Konflikt zwischen Gerechtigkeit und Frieden wird man immer abwägen müssen. Generell aber ist der Versuch, dem Völkerrecht zum Durchbruch zu verhelfen, ein zivilisatorischer Fortschritt.

Baschir ist der erste amtierende Staatschef, der von der internationalen Justiz gesucht wird. Zu Recht sehen einige arabische Potentaten darin einen Präzedenzfall. Auch dies dürfte zur Frontbegradigung auf dem arabischen Gipfel beigetragen haben. Sein Potenzial, Gewaltherrscher abzuschrecken, wird der ICC jedoch langfristig nur entfalten können, wenn er seinen Prinzipien treu bleibt und sich dem politischen Kalkül möglichst entzieht. Seine Legitimität wird er nur ausbauen können, wenn eines Tages auch die USA, Russland, China, Indien und Israel das Statut des ICC ratifizieren. In Katar hat das Weltstrafgericht einen Dämpfer erhalten. Ein Grund, vom eingeschlagenen Weg zur Durchsetzung des Völkerrechts abzuweichen, ist das nicht.


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Der Blick in die Welt, Thomas Schmid