CARLOS FRANQUI - Verfemter Genosse |
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 20.04.2010
Zum Tod des kubanischen Schriftstellers Carlos FranquiAls die bärtigen Männer um Fidel Castro noch in den Wäldern der Sierra Maestra gegen die Diktatur Fulgencio Batistas kämpften, war er ihr Sprachrohr. Er leitete den klandestinen Rundfunksender "Radio Rebelde" ("Rebellisches Radio") und die Zeitschrift "Revolución", die er auch nach dem Sieg der Revolution 1959 weiter herausgab. Als er am Freitag in seinem Exil in Puerto Rico starb, schwieg das offizielle Kuba. Der Schriftsteller und Poet Carlos Franqui war, wie so viele Kämpfer der ersten Stunde, in Castros Kuba persona non grata.
Kaum hatte Castro mit rund einem Dutzend Männer den
Kampf in der Sierra Maestra aufgenommen, stieß auch Franqui zu ihnen.
Sein Rundfunk verbreitete die Kunde vom mutigen Häuflein Guerilleros,
das die Diktatur Batistas herausforderte, in alle Welt. Nach dem Sieg
der Revolution gab es für Kunst und Kultur zunächst noch Freiräume, auch
für Franquis "Revolución". Die Literaturbeilage des Blattes, die
allerdings bereits 1961 geschlossen wurde, betreute der Schriftsteller
Guillermo Cabrera Infante, der Mitte der 60er Jahre mit Castro brach und
vor fünf Jahren in seinem Londoner Exil starb. Auch Franqui hielt
dem Druck des sich verhärtenden kommunistischen Regimes nicht mehr
lange stand. 1963 ging er ins Ausland, hielt sich aber mit Kritik an
Castro zurück. Erst 1968, als der kubanische Revolutionsführer den
Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei
guthieß, brach Franqui offen mit dem Regime und begab sich vorerst ins
Exil nach Rom. Schon bald wurde er in kubanischen Medien als CIA-Spion
beschimpft und aus offiziellen Fotos wegretouchiert. Franqui hat
eine Reihe Bücher über die Kubas Revolution verfasst. 1970 erschien "El
libro de los doce" ("Das Buch über die Zwölf"), in dem er enthüllte, wie
Castro den Starreporter der New York Times in der Sierra Maestra an der
Nase herumführte. Der Journalist war beeindruckt von der Größe der
Rebellenarmee. Castro hatte dem Reporter mehrfach dieselben Guerilleros
in immer neuen Kleidern vorgeführt. 1981 erschien Franquis
"Retrato de familia con Fidel" ("Familienporträt mit Fidel"), eine
Biographie über den Revolutionsführer. Noch einen anderen
Revolutionär porträtierte Franqui: Camilo Cienfuegos. Der Kommandant der
Rebellenarmee kam wenige Monate nach dem Sieg der Revolution offiziell
bei einem Flugzeugunglück ums Leben. Doch wurden weder Wrack noch Leiche
je gefunden, obwohl Bauernbrigaden und die halbe Armee eine Woche lang
das Gelände durchforsteten. Franqui insinuiert, was in Kuba viele
behaupten: Fidel Castro habe den äußerst populären Kommandanten heimlich
liquidieren lassen, weil er fürchtete, dieser hätte sich der
Radikalisierung der Revolution widersetzen und seine Machtstellung
gefährden können. 1996 gründete Carlos Franqui die Zeitschrift "Carta de Cuba" ("Brief aus Kuba"), die Beiträge von kubanischen Schriftstellern und unabhängigen Journalisten publiziert. So kämpfte der Schriftsteller bis zu seinem Tod gegen den todkranken Mann in Havanna. © Berliner Zeitung |