REYNALDO BIGNONE - Späte Strafe für Argentiniens letzten Diktator |
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 22.04.2010 25 Jahre Haft für Ex-General Bignone BERLIN. Nun hat ihn die Vergangenheit doch noch eingeholt.
Reynaldo Bignone, der letzte Präsident der Militärdiktatur, die
Argentinien von 1976 bis 1983 regierte, wurde am Dienstag wegen schweren
Raubes, Freiheitsberaubung und Folter zu 25 Jahren Haft verurteilt. Das
zuständige Bundesgericht verfügte zudem, dass der 82-jährige
Ex-General, der seit 2007 unter Hausarrest stand, in ein normales
Gefängnis zu überführen sei. Bignone wurde nicht wegen Handlungen
verurteilt, die er als Präsident (1982-1983) beging oder zu verantworten
hatte. Seine Verbrechen liegen weiter zurück. Er war von 1976 bis 1978
Kommandant des Armeestützpunktes Campo de Mayo am Stadtrand von Buenos
Aires. Es war die schrecklichste Zeit der Diktatur. Im "schmutzigen
Krieg" der Militärs wurden Zehntausende Oppositinelle verschleppt,
gefoltert, ermordet. Allein ins Folterzentrum in Campo de Mayo wurden
Angaben von Menschenrechtlern zufolge mehr als 4 000 Gefangene
eingeliefert, von denen nur etwa 50 den Ort lebend wieder verließen. In
seinem 40-minütigen Schlusswort bestritt Bignone nicht, dass damals
zahlreiche Personen "verschwanden", die nie wieder auftauchten. In
Friedenszeiten wäre dies sicher ein Verbrechen gewesen, räumte der
Ex-General ein, im Krieg aber gälten andere Maßstäbe. "Es gab
terroristische Untergrundorganisationen, deren Ziel die Machtübernahme
auf subversivem Weg war", sagte er. "Sie fabrizierten Bomben, sie
griffen an, wechselten ihre Identität." Tatsächlich gab es
seinerzeit die peronistische Guerilla der Montoneros und kleinere
bewaffnete Gruppen. Doch die Armee, die sich an die Macht geputscht
hatte, räumte mit der gesamten Opposition, ob bewaffnet oder nicht,
radikal auf. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen
"verschwanden" 30 000 Personen. Viele wurden aus Flugzeugen ins Meer
abgeworfen. Vermutlich 500 Kleinkinder ermordeter Gefangener wurden
geraubt und meistens an Verwandte der Militärs übergeben. Von ihnen
haben bisher erst etwa hundert von ihrer wahren Herkunft erfahren. Bignone
war der einzige Präsident der Diktatur, der keiner der vier
Militärjunten angehörte, die nacheinander die oberste Macht innehatten.
Er trat die Nachfolge von General Leopoldo Galtieri an, der 1982 den
Krieg um die britischen Falklandinseln vom Zaune gebrochen hatte. Die
militärische Niederlage hatte das Ende der Diktatur beschleunigt.
Bignone, der schon 1981 auf Distanz zur Armeespitze gegangen war, schien
da der richtige General, den Übergang einzuleiten. In seiner
ersten öffentlichen Rede kündete er 1982 Wahlen für das Frühjahr 1984
an. Doch aufgrund einer scharfen Wirtschaftskrise, die auch dem
abenteuerlichen Krieg gegen die Briten geschuldet war, musste er dem
politischen Druck der Opposition weichen und schon im Oktober 1983
Wahlen einberufen, die der liberale Raúl Alfonsín gewann. Wenige
Monate vor der Machtübergabe erließ der scheidende Militärdiktator noch
zwei Dekrete. Er verfügte die Zerstörung sämtlicher Dokumente über
Festnahmen, Folter und Ermordung von Gefangenen. Und er amnestierte alle
Angehörigen der Streitkräfte für "während des Krieges gegen die
Subversion begangene Handlungen." Genutzt hat es ihm nichts. |