Rebellische Untertanen |
|
|
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 24.11.2011
In Marokko wird
am Freitag gewählt, die Islamisten könnten siegen. Die Demokratiebewegung ruft
zum Boykott auf - und wird dabei von Islamisten unterstützt.
Wenn er lacht,
und er lacht oft, verzerrt sich für einen kurzen Augenblick die rechte
Gesichtshälfte. Zur Begrüßung klappt Hamza Mahfoud sein Handy auf und zeigt ein
Foto: Fünf Polizisten dreschen auf einen jungen Mann ein. „Das bin ich“, sagt
er und lacht schon wieder, „zwei Tage lag ich danach im Koma, seither spüre ich
auf der rechten Wange nichts mehr.“ Mahfoud, 25, gehört zum Führungszirkel der
„Bewegung 20. Februar“, die nach der Jasmin-Revolution in Tunesien und der
Revolte auf dem Tahrir-Platz in Kairo auch in Marokko für einen arabischen
Frühling sorgte.
Jede Woche
bekommt Mahfoud zwei Schreiben der Staatsanwaltschaft, in denen ihm förmlich
untersagt wird, an Demonstrationen teilzunehmen. Zweimal pro Woche demonstriert
der diplomierte Philosoph, der Kant, Hegel und Nietzsche studiert hat,
trotzdem: zuletzt am Samstag für die Freilassung von Mouad Belghouat und am
Sonntag für den Boykott der Wahlen.
|
Weiterlesen...
|
|
Der flammende Protest des Hamid Kanouni |
|
|
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 28.08.2011
Marokko hat sich ein Straßenhändler öffentlich angezündet. In
Tunesien löste eine solche Selbstverbrennung die Revolution aus - nicht
so im Königreich.
BERKANE. Die wenigen Straßencafés sind bis auf den letzten
Stuhl besetzt. Doch es herrscht eine gespenstische Stille. Niemand
redet. Niemand trinkt Kaffee oder den hier üblichen mit Minze versetzten
Schwarztee, nicht einmal Wasser. Wie K.O.-geschlagene Boxer liegen die
Männer in den billigen Plastikstühlen, die Baseballmütze tief in die
Stirn gezogen oder ein Tuch um den Kopf gewickelt. Man bewegt sich, wenn
es denn sein muss, nur langsam. Der Körper muss Energie sparen. Es ist
fünf Uhr abends, noch immer sind es 31 Grad im Schatten. Frauen sieht
man kaum, im Café schon gar nicht. Nur ab und zu huscht eine verhüllte
Gestalt übers Pflaster, mit Plastiktüten voll Brot, Gemüse und Früchten,
für den Iftar, das allabendliche Fastenbrechen. Der Ramadan wird in
Berkane, einer Stadt mit 80000 Einwohnern im Nordosten Marokkos unweit
der Grenze zu Algerien, strikt eingehalten, in der Öffentlichkeit
jedenfalls.
|
Weiterlesen...
|
König Wagemut |
|
|
Thomas Schmid - DIE ZEIT 16.10.2003 Nr.43 Marokkos Herrscher Mohammed VI. krempelt das gesamte Familienrecht um
Seine Majestät stieß, wie gewohnt, schnell zum Kern der Sache vor. „Wie kann eine Gesellschaft auf Fortschritt und Wohlstand hoffen, wenn die Hälfte von ihr, die Frauen, Opfer von Ungerechtigkeit, Gewalt und Marginalisierung sind, wenn ihr Recht auf Würde und Gleichheit missachtet wird?“ So sprach Mohammed VI., König von Marokko, am vergangenen Freitag zum Parlament und kündigte überraschend eine radikale Reform der Familiengesetzgebung an.
|
Weiterlesen...
|
Gesten ins Leere |
|
|
Thomas Schmid - Berliner Zeitung - 04.03.2000
Tanger ist nicht mehr der mythische Ort amerikanischer Beatniks. Auf der Mauer am Hafen sitzen Afrikaner und starren auf Europa
Die weiße Stadt thront über dem tiefblauen Meer, nur durch einen breiten Sandstreifen von diesem getrennt. Tanger zeigt sich dem Fremden, der auf dem Seeweg ankommt, von seiner schönsten Seite. Etwas mehr als eine Stunde dauert die Überfahrt vom äußersten Süden Spaniens durch die Straße von Gibraltar zum äußersten Norden Marokkos. Mythos Tanger, Tanger die weiße Taube auf der Schulter Afrikas, Zuflucht verlorener Seelen.
|
Weiterlesen...
|
|
|
|
|