Deutschland
Gestrandet zwischen Bunkern und Ruinen PDF Drucken

Thomas Schmid, WOZ, 23.03.2017

In Wünsdorf, eine Autostunde südlich von Berlin, befand sich einst das Oberkommando des Heeres von Hitlers Wehrmacht. Abgelöst wurde es vom Oberkommando der sowjetischen Truppen in der DDR, die hier mit 50.000 Soldaten die grösste Garnison im Ausland unterhielten. Nun werden in ehemaligen Kasernen Flüchtlinge einquartiert.


Auf dem alten Perron wuchert Unkraut, die Gleise sind herausgerissen, das heruntergekommene Bahnhofsgebäude verriegelt. Jahrzehntelang war hier Endstation der Direktlinie Moskau-Wünsdorf. Jeden Tag fuhr abends um 20 Uhr ein Zug aus dem Dörfchen ab, das in der Mark Brandenburg 50 Kilometer südlich von Berlin liegt. Zwei Tage später kam er in der russischen Hauptstadt an. Der letzte Zug fuhr im Herbst 1994. Dann waren die Russen alle abgezogen.

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Spiel ohne Grenzen PDF Drucken

Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 11.01.2011

Kriegsreporter ist ein gefährlicher Beruf. In einem Kursus bei der Bundeswehr lernen Journalisten, sich im Kampfgebiet zu bewegen - ein Selbstversuch


HAMMELBURG. Im Kriegsgebiet soll man als Journalist nie alleine unterwegs sein. Das ist eine eiserne Regel. Zu viert also - ein Kameramann, eine Reporterin der Deutschen Welle, ein freischaffender Journalist und ich - fahren wir im Kleinbus über den holprigen Weg durch den Wald. Es ist kalt. Weithin keine Seele in dieser Einöde. Da versperren plötzlich aufgeschichtete Äste die Weiterfahrt. Wir schauen uns an. Zum Wenden ist es bereits zu spät. Maskierte Männer reißen die Tür auf, fuchteln mit Kalaschnikows, stoßen uns auf den Weg, schreien uns auf Englisch an: "Los! Los!", "Auf die Knie!", "Hände hinter den Kopf!"In jedem zweiten Satz, den sie bellen, kommt das Wort "fucking" vor. Unter sich sprechen sie russisch.

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Vom Pott zum Erlebnispark PDF Drucken

Thomas Schmid, 02./03.01.2010


Das Ruhrgebiet zählt in diesem Jahr zu den Kulturhauptstädten Europas. Metropole Ruhr nennt sich die Gegend jetzt - obwohl das ganz schön übertrieben ist


ESSEN/DUISBURG. Melancholie schwingt in seiner Stimme mit, vor allem aber Respekt vor den Menschen dieser so wenig geliebten Region. "Das Ruhrgebiet hat es immer schwer gehabt", sagt Fritz Pleitgen, "nichts wurde seinen Bewohnern geschenkt. Sie haben sich alles selbst erarbeitet." Dann spricht er von den Wunden, die die Industrialisierung der Landschaft zugefügt hat, und ergänzt: "Die Menschen bauen wieder auf, was sie selbst zerstört haben."


Der Journalist, geboren in Duisburg, einst ARD-Korrespondent in Moskau und danach in Washington, ist in das Ruhrgebiet zurückgekehrt. Es sei ihm ans Herz gewachsen, sagt er - ohne jedes Pathos, ganz bescheiden, und man glaubt es ihm sofort. Schließlich ist es ein Stück Heimat. Er kennt den Menschenschlag im Revier, und er mag ihn.

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Nummer 1393 PDF Drucken

Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 01.12.2009

Der gebürtige Ukrainer John Demjanjuk steht in München wegen Beihilfe zur Ermordung von 27 900 Juden vor Gericht. Es soll um die historische Wahrheit gehen. Aber dieser Prozess soll auch ein Zeichen setzen. Ein letztes vielleicht.

MÜNCHEN. Es wird schlagartig still, als sich die Tür in der Ecke öffnet. Endlich. Auf diesen Augenblick haben sie alle gewartet, die zahlreichen Journalisten, vor allem aber die 21 Nebenkläger, die von weither angereist sind, aus den USA, aus Israel und viele aus den Niederlanden. Eine Art Krankentrage wird hereingeschoben. Auf der Trage liegt ein Greis mit halboffenem Mund, geschlossenen Augen, unter einer himmelblauen Decke. Die blaue Baseballmütze verleiht der Szene etwas Frivoles. Ab und zu zupfen eine ukrainische Übersetzerin und ein Rechtsanwalt an der Decke, wenn sie herunterrutscht und einen Blick auf die braune Lederjacke und das graue Hemd freigibt. Hinter dem Rollstuhl sitzen zwei weiß gekleidete Sanitäter. Der Prozess gegen John Demjanjuk, geboren 1920 als Iwan Mykolajowytsch Demjanjuk, hat begonnen. Der staatenlose Ukrainer, der vor einem halben Jahr aus den USA abgeschoben wurde, ist in München wegen Beihilfe zum Mord in 27 900 Fällen angeklagt. Der letzte große Naziprozess, hört man nun immer wieder. Vielleicht.

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Bienvenue à Berlingrad PDF Drucken

Thomas Schmid, EPOK, février-mars 2005, no. 53

Depuis la chute du mur de Berlin, entre 100.000 et 200.000 Russes se sont établis dans la nouvelle capitale de l’Allemagne réunifiée, où la culture slave - notamment l'élevage de cancrelats de compétition - tient désormais le haut du pavé.

Paris était déjà libérée depuis huit mois, les Américains et les Britanniques avaient franchi le Rhin, quand les premiers soldats de l’armée rouge ont atteint, le 23 avril 1945, la lisière de Berlin. Jusqu’à ce qu’un caporal russe, une semaine plus tard, hissât le drapeau frappé de la faucille et du marteau sur la coupole dorée du Reichstag, le jour même du suicide de Hitler, des dizaines de milliers de combattants allaient mourir encore, de part et d’autre. La guerre était perdue depuis longtemps, mais des national-socialistes fanatiques se battaient néanmoins jusqu’à la défaite totale. La plupart des Berlinois vivaient ces jours-là comme un effondrement plutôt qu’une libération. Leur ville était en ruines.

A présent, les Russes sont de retour à Berlin.

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"Der Kopf ist voll - und doch leer" PDF Drucken

Thomas Schmid, DIE WELTWOCHE, 02.05.2002, Nr. 18*

Erfurt nach dem Amoklauf eines 19-Jährigen. Trotz vieler Antworten bleibt die eine Frage - Warum?

Blumen und Kerzen säumen die breite Freitreppe, die in Erfurt zum Mariendom hinaufführt. Irgendwo zwischen den tausend Blüten und Lichtern steht auf einem Zettel nur ein Wort: „Warum?“ Im Blumenmeer, das sich vor dem Portal des Gutenberg-Gymnasiums der thüringischen Hauptstadt, täglich weiter ausdehnt, liegt ein Blatt mit der Frage: „Warum mussten diese Menschen sinnlos sterben?“ Und auf einem Abschiedsbrief unter den tausend Blumen, die sich vor dem Rathaus türmen, wo jeden Tag Menschen Schlange stehen, um sich in eines der vier Kondolenzbücher einzutragen, fragt eine Franziska: „Warum musstest Du sterben? Das hat doch niemand verdient. Mama, ich liebe Dich.“

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Der Blick in die Welt, Thomas Schmid