Die Möglichkeiten einer Insel |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 19.09.2015
Kuba wird sich verändern. So viel ist sicher,
mehr aber auch nicht. In Havanna sind die ersten Vorboten des Wandels bereits
zu erleben
Das majestätische Hotel Inglaterra steht am Rand der Altstadt von
Havanna. Bei Touristen ist es beliebt, weil es eine große Terrasse zur Straße
hin hat. Hier trinken sie ein eiskaltes Bier, Marke Cristal oder Bucanero, was
so viel wie Seeräuber heißt. Sie schlürfen einen Mojito oder bändeln mit einer
der Mulattinnen an, die vorbeischlendern und ihnen zulächeln. Man braucht hier
nur einige Minuten zu warten, bis der alte Mann auftaucht. Seine schlohweiße
Mähne ist imposant, sein rotes T-Shirt ziert das Porträt von Che Guevara,
zwischen den gelben Zahnstummeln hängt eine dicke Zigarre. Das perfekte Bild
fürs Fotoalbum oder für ein Posting auf Facebook.
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Auf dem Pulverfass |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 03.01.2015
In
Haiti starben vor fünf Jahren bei einem Erdbeben mehr als 200 000
Menschen. Hunderttausende Überlebende haben sich inzwischen außerhalb
der Hauptstadt Port-au-Prince Hütten errichtet. Die Chance aber, ein
anderes Land aufzubauen, ist verpasst worden.
In einem Interview, das in Port-au-Prince, der Hauptstadt Haitis, am 19.
Dezember 2009 in Le Nouvelliste erschien, fragte der haitianische
Schriftsteller Pierre Clitandre den Geologen Claude Prépetit: "Leben wir
auf einem Pulverfass?" - "Ohne dramatisieren zu wollen", gab der
Fachmann zur Antwort, "das ist nicht übertrieben." Seit Jahren hatte er,
von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen, vor einem Erdbeben im
Großraum Port-au-Prince gewarnt. Die Folgen, so prophezeite er im
Gespräch mit dem Schriftsteller, würden - wegen der Wohndichte und der
Bauweise sowie angesichts einer fehlenden Raumplanung und einer
unvorbereiteten Bevölkerung - katastrophal sein.
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Unter Plastik, neben Trümmern |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 25.11.2010
Zehn Monate nach dem Erdbeben in Haiti haben sich die Menschen
mit dem kargen Leben in Zelten arrangiert - von Wiederaufbau gibt es
keine Spur
PORT-AU-PRINCE. Der blütenweiße Nationalpalast liegt da wie ein
zerquetschtes riesiges Insekt. Die Straßen im Zentrum scheinen gerade
einen Bombenangriff hinter sich zu haben. Der Schutt ist erst zu einem
geringen Teil abgeräumt. Magere Ziegen und fette schwarze karibische
Schweine schnüffeln im kniehohen Müll, der die staubigen Straßen säumt
und unter der tropischen Hitze dahinfault. Männer hämmern an Eisen und
flicken Gummireifen, Frauen verkaufen gebratene Bananen und schwarzen
Reis, bieten Zwiebeln an und Mangos, Avocados, Papayas. Und überall wird
Wasser verkauft, sauberes Trinkwasser, in Zeiten der Cholera abgepackt
in kleine Plastiktüten. Zehn Monate nach dem Erdbeben in Haiti, das eine
Viertelmillion Tote hinterließ, haben sich die Menschen in
Port-au-Prince mit Schutt, Staub und Dreck längst arrangiert.
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Am Fluss des Todes |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 16.11.2010
Im Landesinnern von Haiti sind schon fast tausend Menschen an
der Cholera gestorben. Auch in der Hauptstadt geht die Angst um.
PETITE-RIVIERE. Bis auf die Knochen abgemagerte Menschen.
Männer, aus deren Augen der nahe Tod spricht. Frauen mit vertrockneten
Brüsten. Spindeldürre Kinder mit festgeklemmten Spritzen in den Venen
der Unterärmchen, die meisten am Tropf. Viele liegen halbnackt auf einer
Liege, unter dem Gesäß ein Loch im Holzbrett, unter dem Loch ein Eimer.
Für Würde ist wenig Platz hier im Krankenhaus von Petite-Rivière, einer
Kleinstadt zwei Autostunden nördlich von Haitis Hauptstadt
Port-au-Prince. Intimität gibt es nicht. Alles muss schnell gehen. Jede
Minute kann über Leben oder Tod entscheiden. Täglich fordert die Cholera
im Land Dutzende neue Opfer.
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Kabale und Bohnen |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 11.08.2010
In Guatemala führt ein Schweizer den Verband der
Kaffeekooperativen an - mit Erfolg. Doch dann kommt ihm ein Mordfall in
die Quere
GUATEMALA-STADT. Nebel hängt in den Bergwäldern. Am Horizont
erheben sich majestätisch der rauchende Volcan de Fuego und sein längst
erloschener Zwillingsbruder Volcan de Agua, der Feuervulkan und der
Wasservulkan. Dunkle Kaffeesträucher klettern die Hänge hoch.
Acatenango, nur eine Autostunde von der guatemaltekischen Hauptstadt
entfernt, liegt in einer paradiesischen Landschaft. Doch der Alltag ist
mühsam. Männer mit den scharfkantigen Gesichtern der Nachfahren der Maya
schleppen schwere Bündel Brennholz durchs Dorf. Im Waschhaus schrubben
Frauen in traditioneller indianischer Tracht Bettlaken, Hemden, Röcke
und Hosen. Es ist eine Welt jenseits von Elektroherd und Waschmaschine.
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Tanz als simulierte Paarung |
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Ein Plattenbauviertel in Havanna ist Wiege der kubanischen Reguetón-Musik.
Die hat eindeutige Texte und Bewegungen
Thomas
Schmid, Berliner Zeitung, 14.11.2009
ALAMAR.
Plattenbauten, so weit das Auge reicht. Alamar, ein Vorort Havannas, wurde in
den 70er-Jahren im Osten der kubanischen Hauptstadt aus dem Boden gestampft.
Die neue Stadt wurde dem Neuen Menschen gewidmet. Dem Neuen Menschen, wie ihn
Che Guevara so eindringlich beschworen hatte: selbstlos, nur dem Gemeinwohl
verpflichtet, "in seine Fabrik verliebt" und notfalls eine
"eiskalte Killermaschine". Antonio José Ponte, der sich nach seinem
Ausschluss aus dem kubanischen Schriftstellerverband 2007 ins Exil absetzte,
beschrieb Alamar so: "Der einzige Schmuck dort war der rechte Winkel. Für
Gärten und Parks war später Zeit. Es war besser, wenn sich erst mal kein Baum
zwischen den Gebäuden erhob, zwischen den Genossen sollte Offenheit
herrschen."
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Der Blogger und die Bloggerin |
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Thomas Schmid - ZEIT online 19.1.2008 Am Sonntag wählt Kuba ein neues Parlament – eine Farce. Im Internet können aber Opponenten zu Wort kommen. Die Bloggerin Yoani Sánchez ist eine der berühmtesten
Fidel Castro ist nicht nur Staatschef, Parteichef und Regierungschef, er ist auch Blogger. Wöchentlich lässt er seine „Gedanken des Chefkommandanten“ ins Netz stellen, auch wenn nur wenige Kubaner Zugang zum Internet haben. Im neuesten Beitrag schreibt er: „Ich bin physisch nicht mehr in der Lage, direkt zu den Einwohnern der Gemeinde zu sprechen, die mich als Kandidat aufgestellt haben.“
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