HISHAM MAIZAR - Arzt und Brückenbauer aus Jerusalem Drucken

Hisham Maizar vertritt die Muslime der Schweiz


Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 27.11.2009


ROGGWIL. Geboren ist der Muslim Hisham Maizar im christlichen Viertel der Altstadt von Jerusalem, wo ein Jude seinem Vater ein Geschäft vermittelt hatte. Die allen drei Buchreligionen heilige Stadt gehörte damals zum britischen Mandatsgebiet. Beim Fußball in den Gassen hinter der Grabeskirche spielten Kreuz und Halbmond keine Rolle. Heute ist der 68-Jährige Präsident der Föderation Islamischer Dachverbände in der Schweiz, der über 150 islamische Zentren angehören. Er ist ein Mann, der zuhört und seine Worte abwägt. Und er versteht sich als Brückenbauer. Der Dialog zwischen Christen und Muslimen ist ihm wichtiger denn je. Denn in der Schweiz stehen die Zeichen auf Kulturkampf.

Leuchttürme.

Am Sonntag stimmen die Eidgenossen darüber ab, ob sechs Worte in ihre Bundesverfassung aufgenommen werden: "Der Bau von Minaretten ist verboten." Rechtspopulistische Kreise haben über 100 000 Unterschriften gesammelt und damit eine Volksabstimmung erzwungen. Ihr Hauptargument gegen den Bau der schlanken Türme: Das Minarett stehe für den Machtanspruch des Islam, letztlich für Landnahme.

"Der Begriff Minarett", erklärt Maizar, "stammt vom arabischen Wort ,manaara' ab, das so viel wie Leuchtturm bedeutet." Neben ihre Moscheen Minarette zu bauen, das haben die Muslime vermutlich den Christen abgeschaut. In Syrien gab es damals viele prächtige Kirchen mit imposanten Türmen.

Maizar ist ein belesener Mann und hat viele Kulturen kennengelernt. Nach der Teilung Palästinas und der Staatsgründung Israels wurde er Bürger Jordaniens, dem Ostjerusalem zugeschlagen worden war. Nach dem Abitur erhielt er vom damals noch kommunistisch regierten Jugoslawien ein Stipendium für ein Slawistikstudium in Sarajevo, das er abbrach. Aber noch heute spricht der Araber aus Jerusalem mit den bosnischen Muslimen serbokroatisch.

Ein deutscher Pastor vermittelte Maizar einen Studienplatz in Heidelberg, wo er ein Medizinstudium aufnahm, das er in Innsbruck abschloss. Dort verliebte er sich in eine Tirolerin aus stockkatholischer Familie. Ein Jesuit traute die beiden in einer Kirche und las dabei aus dem Koran vor. Ihren drei Kindern brachte das Paar den Islam wie den Katholizismus nahe - vor allem aber Werte wie Respekt und Toleranz.

"Wir müssen alle miteinander reden - Christen, Muslime, Juden, Atheisten", sagt Maizar, der heute als Internist in Roggwil arbeitet und den roten Pass mit dem weißen Kreuz besitzt. In seinem Dorf in der Ostschweiz ist die rechtspopulistische SVP, die den Bau von Minaretten verbieten will, stärkste Partei. "Wir müssen auch mit ihr im Gespräch bleiben", betont der Arzt mit Nachdruck, "wir müssen zuhören, Argumente austauschen. Die Alternative heißt Kulturkampf, und da verlieren wir alle."

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