Hoffnungsschimmer auf Kuba Drucken

Thomas Schmid, BERLINER ZEITUNG, 26.07.2008

Wie jedes Jahr feiert Kuba an seinem Nationalfeiertag eine Niederlage. Heute vor 55 Jahren, am 26. Juli 1953 versuchten 120 Guerilleros die Moncada-Kaserne von Santiago, der zweitgrößten Stadt der Insel, zu stürmen.19 Soldaten und acht Guerilleros starben im Kugelhagel. Fidel Castro, der Anführer des gescheiterten militärischen Abenteuers, überlebte, wurde zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, kam aber schon im Mai 1955 im Rahmen einer Generalamnestie frei. Weniger als zwei Jahre Haft für 19 tote Soldaten.


50 Jahre später - im April 2003 - wollten drei junge Kubaner nach Miami fliehen. Sie entführten in Havanna eine Fähre mit zwölf Passagieren. Tote gab es dabei keine, nicht einmal Verletzte, aber den Ausreißern ging der Diesel aus. Sie wurden auf die Insel zurückgebracht und nach einem Geheimprozess erschossen. Im heutigen Kuba sitzen noch immer, seit über fünf Jahren, rund 50 Dissidenten, die im "schwarzen Frühling" 2003 festgenommen wurden. Sie hatten keinen Schuss abgefeuert, nur Artikel für die Auslandspresse geschrieben oder sich für Menschenrechte eingesetzt.

Die Niederlage vom 26. Juli 1953 wurde zum Startschuss einer Revolution, die 1959 siegte, die Reichen aus dem Land jagte, den Armen Aufstiegschancen bot und schließlich in einer stalinistischen Diktatur erstarrte. Bis heute gibt es in Kuba nur eine einzige zugelassene Partei, keine freien Wahlen, keine freie Presse, keine Ausreisefreiheit. Doch seit Monaten schon keimt auf der Insel Hoffnung auf bessere Zeiten. Seitdem Raúl Castro im Februar von seinem seit zwei Jahren schwer kranken Bruder Fidel die Staatsführung auch formal übernommen hat, verändert sich Kuba - nur langsam, Schrittchen für Schrittchen, aber immerhin.

Inzwischen können Kubaner Handys und Computer kaufen, dürfen in internationalen Hotels nächtigen und auch - bei staatlich festgelegten Preisen, Fahrplänen und Routen - Personen übers Land befördern. Zudem wird es bald mehr private Bauernmärkte geben. Fidel Castro, der charismatische Ideologe, hat sie in allergrößter Not zugelassen. Doch schraubte er ihre Anzahl zurück, als er Gefahr witterte, eine neue Zwischenhändlerschicht könnte über Maßen Geld verdienen. Raúl, der bürokratische Pragmatiker hingegen hat die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zum obersten Prinzip erklärt - und wenn es der Sache dient, dürfen Leute dabei auch reich werden.

"Sozialismus bedeutet Gleichheit der Rechte und Chancen, nicht der Einkommen", verkündete er jüngst, "Gleichheit ist nicht Gleichmacherei." So wird nun im sozialistischen Staat Boden an Kleinbauern verpachtet, während andererseits über hundert staatliche Landwirtschaftsbetriebe geschlossen wurden. Die Devise lautet: Der Boden denen, die ihn am effizientesten bewirtschaften. 51 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche nämlich liegen brach. Und die Nahrungsmittelimporte kosten wertvolle Devisen.

Oft ist nun von einer "chinesischen Lösung" die Rede: wirtschaftliche Öffnung bei gleichzeitiger Beibehaltung der Herrschaft der Kommunistischen Partei. Doch Kuba ist nicht China, es hat nicht dessen Binnenmarkt und nicht dessen Wirtschaftskraft. Zudem gibt es im Land noch immer zwei Währungen: den Dollar und den Peso. Für den ersten gibt es - außer Autos und Immobilien - bald alles legal zu kaufen. Für den Peso gibt es in den staatlichen Versorgungsläden das Allernotwendigste, wenn es denn in der kubanischen Mangelwirtschaft überhaupt aufzutreiben ist. Die Einführung einer Marktwirtschaft ist ohne Währungsreform nicht vorstellbar, und eine solche hat Raúl Castro nicht in Aussicht gestellt. Mit China gemeinsam hat Kuba so vor allem eins: Das politische Monopol der Kommunistischen Partei steht nicht zur Debatte.

Trotzdem: In Nischen entsteht eine begrenzte Öffentlichkeit. Hunderttausende kommunizieren im kubanischen Intranet per Email, und einige tausend haben schon legal oder illegal Zugang zum Internet.Wirtschaftsreformen und mehr gesellschaftliche Freiräume sind Raúl Castros Zugeständnisse an die Gesellschaft, um sich die Macht zu sichern.

Es ist ein Spiel mit vielen Unbekannten, also auch mit Chancen. Gewiss scheint nur eines - Kuba verändert sich. "Revolution heißt: all das zu ändern, was geändert werden muss", hat Fidel einst gelehrt. Was aber geändert werden muss - darüber befindet er nun nicht mehr selbst, sondern sein 77-jähriger Bruder Raúl. Vorerst jedenfalls.