Chinesische Hilfe beim Völkermord Drucken
Von Thomas Schmid - FACTS 12/2007
200 000 Tote im Sudan. Peking liefert Waffen und politische Dienste zum Genozid. Jetzt gibt es Boykottaufrufe gegen die Olympischen Spiele 2008.

Wie kann man auf die Chinesen politischen Druck ausüben? Was tut ihnen wirklich weh? Mit diesen Fragen plagte sich Bernard-Henri Lévy. Schliesslich kam dem französischen Philosophen die rettende Idee: «Weshalb sollten wir ihnen nicht mit einem Boykott der Olympischen Spiele 2008 drohen, an denen sie offenbar so sehr hängen?» Er wirft der chinesischen Führung vor, Komplizin eines Völkermords zu sein – in Afrika. Nach dem Genozid in Ruanda, dem schnellsten Völkermord in der Geschichte der Menschheit, bei dem 1994 in hundert Tagen 800 000 hingemetzelt wurden, ohne dass jemand eingriff, schworen weltweit Politiker beschämt, so etwas dürfe sich nicht wiederholen. Nie und nimmer.

Und es wiederholt sich doch. Langsamer als in Ruanda, schleichend, aber nicht weniger tödlich – in Darfur, im Westen Sudans, wo vor vier Jahren eine regionale Guerilla die Zentralmacht herausforderte. Seither vergewaltigen und morden dort unter dem Schutz der Armee arabische Reitermilizen die schwarzafrikanische Zivilbevölkerung. Die sudanesische Luftwaffe wirft Bomben ab und bereitet den Mordgesellen das Feld. Nach UN-Angaben sind über 200 000 Menschen gestorben und etwa 2,5 Millionen geflüchtet.

Handfeste Interessen
Schon im August 2006 hat der UN-Sicherheitsrat beschlossen, eine Eingreiftruppe von 17 000 Mann zu entsenden, um die humanitäre Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen und dem Gemetzel Einhalt zu gebieten. Aber China, das als ständiges Ratsmitglied über ein Vetorecht verfügt, willigte nur unter der Bedingung ein, dass die sudanesische Regierung die Stationierung der Blauhelme genehmigt. Doch Sudan weigert sich, fremde Truppen ins Land zu lassen. Und so geht derVölkermord in Darfurweiter, und China hält den Mördern den Rücken frei.
China: MordsgeschäfteDas Reich der Mitte hat handfeste Gründe für sein Verhalten: Die China National Petroleum Company fördert Öl im Sudan. Die Chinesen haben eine 1600 Kilometer lange Pipeline vom Süden des Landes ans RoteMeer gebaut. Sudan verkauft 65 Prozent seines Erdöls an China und beziehtvon dort den grössten Teil seiner Waffen. Wo es ums Geschäft geht, haben Menschenrechte nichts zu suchen.
Das zeigt sich zurzeit auch im Genfer Völkerbundspalast. Der UN-Menschenrechtsrat muss sich mit einem Bericht einer von ihm mandatierten Kommission befassen, die den Terror in Darfur dokumentiert hat. China will den Punkt von der Traktandenliste streichen – mit der Begründung, die Kommission habe gar nicht im Sudan recherchiert. In der Tat stammen ihre Informationen aus den Flüchtlingslagern in Tschad. Sudan hat der Kommission die Einreise verweigert.

Die Mär von Stammesfehden
Vor einem Monat hat der Internationale Strafgerichtshof Anklage gegen den früheren sudanesischen Innenminister und gegen einen Befehlshaber der Reitermilizen erhoben. Selbstredend wird der Sudan sie nicht überstellen. Es käme einem Einverständnis der staatlichen Beteiligung am Massenmord gleich. Das Regime in Khartum spricht liebervon Stammesfehden, als ob in Sudan Stämme überAntonow-Flugzeuge und Kampfhelikopter verfügen würden.
Was aber ist zu tun? Alle Wege einer Intervention im Rahmen des Völkerrechts führen über Peking. Und so ist der Vorschlag des Philosophen aus Paris, den Chinesen mit der olympischen Fackel zu drohen, vielleicht gar nicht so schlecht. 1980 boykottierten 65 Staaten die Olympischen Spiele in Moskau, weil die Sowjetunion kurz zuvor in Afghanistan einmarschiert war. 1956 blieb die Schweiz aus Protest gegen die Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes der Olympiade von Melbourne fern. In Ungarn gab es «nur» einige tausend Tote.