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Kuba - vorwärts nimmer, rückwärts immer PDF Drucken


Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 07.03.2009


Der Stil erinnert an längst tot geglaubte Zeiten. 1972 wurde in Havanna der bekannte Schriftsteller Herberto Padilla aus dem Gefängnis entlassen, nachdem er sich selbst als hochnäsigen, moralisch und geistig beschränkten, krankhaften Konterrevolutionär bezeichnet hatte, der sich Fidel gegenüber zutiefst undankbar und ungerecht benommen habe, was er aufrichtig bereue. Am 5. März 2009 bezichtigt Kubas drei Tage zuvor gefeuerter Vizepräsident Carlos Lage sich selbst, aber niemand weiß wessen, und übernimmt die Verantwortung, aber niemand weiß wofür. Und der ebenfalls entlassene Außenminister Felipe Pérez Roque schwört, Fidel, dessen Bruder Raúl "und unserer Partei" treu zu bleiben. So viel zum Fortschritt in Kuba in 37 Jahren, wo nach der Übergabe der Macht von Castro I. auf Castro II. vor einem Jahr doch Hoffnung auf Veränderung keimte. Aber im Sozialismus weiß man eben nie, was für eine Vergangenheit einen erwartet.


Lage, der oft als Nachfolger der Brüder Castro gehandelt wurde, stand zwei Jahrzehnte für Wirtschaftsreformen, die es kaum gab; Pérez Roque, genannt der "Taliban", der 1999 im Alter von 34 Jahren Außenminister wurde, galt als Garant für einen harten Kurs gegenüber den USA. Die beiden waren die Schlüsselfiguren der Entourage von Fidel, der der Insel fast ein halbes Jahrhundert lang die Politik diktierte. Nun geiferte er seinen geschassten Zöglingen hinterher, "der Honig der Macht, für den sie keine Opfer brachten", habe in ihnen Ambitionen geweckt. Mit dieser Volte bestätigte der schwer kranke Greis, dass die Macht nun allein bei seinem jüngeren, 77-jährigen Bruders liegt.

Nach dem überraschenden Revirement, dem noch elf weitere Kabinettsmitglieder zum Opfer fielen, sind nun acht Generäle an der Regierung beteiligt. Raúl Castro ist seit vier Jahrzehnten Verteidigungsminister und Armeechef. Seine Machtbasis war immer die Armee. Kuba, gebeutelt von Hurrikans, Versorgungsengpässen und Devisenknappheit, sieht schweren Zeiten entgegen. Da ist es gut, einen "kompakten Nukleus" (Raúl Castro) an der Machtspitze zu haben. Eine politische Öffnung, das ist das deutlichste Signal der Kabinettsumbildung, wird es unter Raúl nicht geben.

Aber auch die erhoffte wirtschaftliche Öffnung hält sich in engen Grenzen. Einer "chinesischen Lösung" - Kapitalismus plus Parteidiktatur - steht in Kuba vieles entgegen. Die Insel hat weder den Binnenmarkt noch die Wirtschaftskraft Chinas. Die Einführung einer Marktwirtschaft würde auch eine Währungsreform voraussetzen, die immer wieder hinausgeschoben wird. So gibt es in Kuba noch immer zweierlei Geld. Für den Dollar, die Währung des Feindes, ist auf der Insel - bis auf Autos und Immobilien - inzwischen bald alles legal zu kaufen. Für den kubanischen Peso gibt es in staatlichen Versorgungsläden das Allernotwendigste, wenn es denn überhaupt aufzutreiben ist. Das schafft Unzufriedenheit.

Gefahr droht der politischen Stabilität aber noch von anderer Seite. Vieles spricht dafür, dass US-Präsident Barack Obama schon bald das Embargo lockern wird, dessen Aufhebung zwar Castro immer forderte, das es ihm aber stets erleichterte, die inneren Fronten zu begradigen. Mehr Besucher aus dem Exil in Miami, mehr Handel, mehr Kommunikation sind letztlich die größte Herausforderung für ein Regime, das seinem Volk täglich die unsägliche Alternative einhämmert: Sozialismus oder Tod.


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Der Blick in die Welt, Thomas Schmid