Als die bärtigen Männer um Fidel Castro noch in den Wäldern der Sierra Maestra gegen die Diktatur Fulgencio Batistas kämpften, war er ihr Sprachrohr. Er leitete den klandestinen Rundfunksender „Radio Rebelde“ („Rebellisches Radio“) und die Zeitschrift „Revolución“, die er auch nach dem Sieg der Revolution 1959 weiter herausgab. Als er am Freitag in seinem Exil in Puerto Rico starb, schwieg das offizielle Kuba. Der Schriftsteller und Poet Carlos Franqui war, wie so viele Kämpfer der ersten Stunde, in Castros Kuba persona non grata.
1921 in eine arme Bauernfamilie hineingeboren, organisierte Franqui schon als Zwanzigjähriger die Zuckerrohrschneider seiner Gegend für die kommunistische Partei. 1946 überwarf er sich mit ihr. Später trat er der von Fidel Castro gegründeten „Bewegung 26. Juli“ bei, benannt nach dem Datum des 1953 erbärmlich gescheiterten Sturms der Revolutionäre auf die zweitgrößte Kaserne des Landes. Franqui wurde schon bald festgenommen, gefoltert und setzte sich nach seiner Freilassung ins Exil nach Mexiko und Miami ab.
Kaum hatte Castro mit rund einem Dutzend Männer den Kampf in der Sierra Maestra aufgenommen, stieß auch Franqui zu ihnen. Sein Rundfunk verbreitete die Kunde vom mutigen Häuflein Guerilleros, das die Diktatur Batistas herausforderte, in alle Welt. Nach dem Sieg der Revolution gab es für Kunst und Kultur zunächst noch Freiräume, auch für Franquis „Revolución“. Die Literaturbeilage des Blattes, die allerdings bereits 1961 geschlossen wurde, betreute der Schriftsteller Guillermo Cabrera Infante, der Mitte der 60er Jahre mit Castro brach und vor fünf Jahren in seinem Londoner Exil starb.
Auch Franqui hielt dem Druck des sich verhärtenden kommunistischen Regimes nicht mehr lange stand. 1963 ging er ins Ausland, hielt sich aber mit Kritik an Castro zurück. Erst 1968, als der kubanische Revolutionsführer den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei guthieß, brach Franqui offen mit dem Regime und begab sich vorerst ins Exil nach Rom. Schon bald wurde er in kubanischen Medien als CIA-Spion beschimpft und aus offiziellen Fotos wegretouchiert.
Franqui hat eine Reihe Bücher über die Kubas Revolution verfasst. 1970 erschien „El libro de los doce“ („Das Buch über die Zwölf“), in dem er enthüllte, wie Castro den Starreporter der New York Times in der Sierra Maestra an der Nase herumführte. Der Journalist war beeindruckt von der Größe der Rebellenarmee. Castro hatte dem Reporter mehrfach dieselben Guerilleros in immer neuen Kleidern vorgeführt.
1981 erschien Franquis „Retrato de familia con Fidel“ („Familienporträt mit Fidel“), eine Biographie über den Revolutionsführer. Noch einen anderen Revolutionär porträtierte Franqui: Camilo Cienfuegos. Der Kommandant der Rebellenarmee kam wenige Monate nach dem Sieg der Revolution offiziell bei einem Flugzeugunglück ums Leben. Doch wurden weder Wrack noch Leiche je gefunden, obwohl Bauernbrigaden und die halbe Armee eine Woche lang das Gelände durchforsteten.
Franqui insinuiert, was in Kuba viele behaupten: Fidel Castro habe den äußerst populären Kommandanten heimlich liquidieren lassen, weil er fürchtete, dieser hätte sich der Radikalisierung der Revolution widersetzen und seine Machtstellung gefährden können.
1996 gründete Carlos Franqui die Zeitschrift „Carta de Cuba“ („Brief aus Kuba“), die Beiträge von kubanischen Schriftstellern und unabhängigen Journalisten publiziert. So kämpfte der Schriftsteller bis zu seinem Tod gegen den todkranken Mann in Havanna.
© Berliner Zeitung
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 20.04.2010