25 Jahre Haft für Ex-General Bignone
BERLIN. Nun hat ihn die Vergangenheit doch noch eingeholt. Reynaldo Bignone, der letzte Präsident der Militärdiktatur, die Argentinien von 1976 bis 1983 regierte, wurde am Dienstag wegen schweren Raubes, Freiheitsberaubung und Folter zu 25 Jahren Haft verurteilt. Das zuständige Bundesgericht verfügte zudem, dass der 82-jährige Ex-General, der seit 2007 unter Hausarrest stand, in ein normales Gefängnis zu überführen sei.
Bignone wurde nicht wegen Handlungen verurteilt, die er als Präsident (1982-1983) beging oder zu verantworten hatte. Seine Verbrechen liegen weiter zurück. Er war von 1976 bis 1978 Kommandant des Armeestützpunktes Campo de Mayo am Stadtrand von Buenos Aires. Es war die schrecklichste Zeit der Diktatur. Im „schmutzigen Krieg“ der Militärs wurden Zehntausende Oppositinelle verschleppt, gefoltert, ermordet. Allein ins Folterzentrum in Campo de Mayo wurden Angaben von Menschenrechtlern zufolge mehr als 4 000 Gefangene eingeliefert, von denen nur etwa 50 den Ort lebend wieder verließen.
In seinem 40-minütigen Schlusswort bestritt Bignone nicht, dass damals zahlreiche Personen „verschwanden“, die nie wieder auftauchten. In Friedenszeiten wäre dies sicher ein Verbrechen gewesen, räumte der Ex-General ein, im Krieg aber gälten andere Maßstäbe. „Es gab terroristische Untergrundorganisationen, deren Ziel die Machtübernahme auf subversivem Weg war“, sagte er. „Sie fabrizierten Bomben, sie griffen an, wechselten ihre Identität.“
Tatsächlich gab es seinerzeit die peronistische Guerilla der Montoneros und kleinere bewaffnete Gruppen. Doch die Armee, die sich an die Macht geputscht hatte, räumte mit der gesamten Opposition, ob bewaffnet oder nicht, radikal auf. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen „verschwanden“ 30 000 Personen. Viele wurden aus Flugzeugen ins Meer abgeworfen. Vermutlich 500 Kleinkinder ermordeter Gefangener wurden geraubt und meistens an Verwandte der Militärs übergeben. Von ihnen haben bisher erst etwa hundert von ihrer wahren Herkunft erfahren.
Bignone war der einzige Präsident der Diktatur, der keiner der vier Militärjunten angehörte, die nacheinander die oberste Macht innehatten. Er trat die Nachfolge von General Leopoldo Galtieri an, der 1982 den Krieg um die britischen Falklandinseln vom Zaune gebrochen hatte. Die militärische Niederlage hatte das Ende der Diktatur beschleunigt. Bignone, der schon 1981 auf Distanz zur Armeespitze gegangen war, schien da der richtige General, den Übergang einzuleiten.
In seiner ersten öffentlichen Rede kündete er 1982 Wahlen für das Frühjahr 1984 an. Doch aufgrund einer scharfen Wirtschaftskrise, die auch dem abenteuerlichen Krieg gegen die Briten geschuldet war, musste er dem politischen Druck der Opposition weichen und schon im Oktober 1983 Wahlen einberufen, die der liberale Raúl Alfonsín gewann.
Wenige Monate vor der Machtübergabe erließ der scheidende Militärdiktator noch zwei Dekrete. Er verfügte die Zerstörung sämtlicher Dokumente über Festnahmen, Folter und Ermordung von Gefangenen. Und er amnestierte alle Angehörigen der Streitkräfte für „während des Krieges gegen die Subversion begangene Handlungen.“
Genutzt hat es ihm nichts.
© Berliner Zeitung
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 22.04.2010