Arabische Jahreszeiten |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 13.01.2014
Vor drei Jahren flüchtete Tunesiens Diktator Ben Ali ins Exil. Einen
Monat später verjagten die Ägypter Mubarak, wenige Tage danach brach in
Libyen eine Revolte gegen Gaddafi aus, und noch im März desselben Jahres
erreichte die Rebellion Syrien. Der arabische Frühling beflügelte
Fantasien einer Demokratisierung des gesamten Nahen Ostens und
Nordafrikas. Doch überall erstarkten bald die Islamisten,
Trittbrettfahrer der Revolution. Spätestens nachdem sie die Wahlen in
Tunesien und Ägypten gewonnen hatten, war vom arabischen Winter die
Rede. Wer gedacht hatte, im arabischen Raum würden Schweizer Verhältnisse
ausbrechen, hat sich aber genauso geirrt wie jene, die schon überall
theokratische Diktaturen witterten. Euphorie und Schwarzmalerei
ersetzten oft den nüchternen Blick. Im arabischen Raum findet ein
epochaler Umbruch statt. Er bringt Instabilität mit sich, ist auch mit
Rückschritten verbunden. Aber ein Zurück zu den alten Verhältnissen wird
es nicht mehr geben.
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Afrika vor der nächsten Katastrophe |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 03.01.2014
Hutu gegen Tutsi in Ruanda, hellhäutige Tuareg gegen Schwarzafrikaner in
Mali und nun also Dinka gegen Nuer im Südsudan. Breite Nasen gegen
schmale Nasen, helle Haut gegen dunkle Haut - wenn es um Afrika geht,
werden Konflikte schnell als Stammesfehden begriffen, in völkische
Kategorien gefasst. Als hätten in Ruanda nicht Hutu auch Hutu
umgebracht, als wäre die Tuareg-Miliz überhaupt repräsentativ für die
hellhäutige Bevölkerung Malis. Auch der Bürgerkrieg im Südsudan ist
ursächlich kein ethnischer Konflikt.
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Armes Afrika, reiches Afrika |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 28.12.2013
Jahrzehntelang war Afrika der Inbegriff von Hunger, Elend und Krieg, ein
verlorener Kontinent, für immer abgehängt - ein Fall für karitative
Organisationen und Entwicklungshilfe. Doch in jüngster Zeit hat sich die
Wahrnehmung Afrikas gewandelt. Es kam die Rede vom erwachenden Riesen
auf, von den schier unbegrenzten Ressourcen des Kontinents und von einer
wachsenden Mittelschicht, Voraussetzung für die Entwicklung hin zur
Moderne. Hochglanzmagazine porträtieren nun afrikanische Milliardäre -
nicht Despoten der alten Art wie Mobutu, Bokassa, Idi Amin, sondern
tüchtige erfolgreiche Geschäftsleute.
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Friedhof Mittelmeer |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 05.10.2013
Es ist die größte Flüchtlingstragödie, die sich
bisher vor der Festung Europa ereignet hat: Mehr als 300 Menschen
ertranken im Mittelmeer, eine Seemeile vor der rettenden Küste
Lampedusas entfernt. In italienischen Hoheitsgewässern also. Wie dies in
einem der am besten überwachten Gewässer Italiens möglich war, wird
noch zu klären sein. Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano
bezeichnete das Drama als Schande. Recht hat er. Eine Schande
ist es auch, dass in Italien - unter der Regierung Berlusconis - ein
Gesetz verabschiedet wurde und noch immer in Kraft ist, das
Flüchtlinge als Kriminelle behandelt.
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Der neue Kalte Krieg |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 07.09.2013
Samantha Power,
US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, nahm kein Blatt vor den
Mund. Ihre Regierung, sagte sie, werde sich in der Frage eines
Militärschlags gegen Syrien nicht um die Zustimmung des
Sicherheitsrates bemühen. Der Präsident des mächtigsten Staats
der Erde wird sich notfalls über die UN-Charta hinwegsetzen.
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Die syrische Hölle |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 29.08.2013
Es scheint nicht mehr eine Frage des Ob, sondern
nur noch des Wann zu sein. Im Konflikt um Syrien hat sich ein
Handlungsdruck aufgebaut, der jeder rationalen Grundlage entbehrt und
eine gefährliche Eigendynamik entwickelt. Für nüchternes Abwägen von
Handlungsperspektiven gibt es offenbar keinen Raum mehr, wenn es um die
sogenannte Glaubwürdigkeit US-amerikanischer Politik geht. Schon wird
gefragt: Wer würde die USA noch ernst nehmen, wenn sie jetzt nicht
zuschlagen? Welche Lehren würden Nordkorea und Iran daraus ziehen?
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Hausarrest oder gemeinnützige Arbeit |
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Thomas Schmid, Frankfurter Rundschau, 03.07.2013
Vor 20 Jahren startete Silvio Berlusconi seine politische
Karriere. „Ich bin gezwungen, in die Politik zu gehen“, bekannte er damals
freimütig, „denn andernfalls werden sie mich ins Gefängnis werfen.“ Über zwei
Dutzend Prozesse wegen aktiver Bestechung, Bilanzfälschung, Steuerbetrug,
Meineid und andern Delikten hat der Tausendsassa, der es in kürzester Zeit vom Schnulzensänger
zum Ministerpräsidenten und vom armen Schlucker zum reichsten Mann Italiens
gebracht hat, ohne rechtskräftige Verurteilung überstanden – aufgrund von
Gesetzen, die er sich als Regierungschef maßschneidern ließ. Delikte wie
Bilanzfälschung wurden entkriminalisiert und fortan etwa wie Falschparken
geahndet. Die Verjährungsfristen wurden verkürzt, sodass viele Prozesse dank
trickreicher Verschleppung versandeten.
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