Die Unvollendete |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 22.01.2011
Der Diktator ist im Exil. 33 Mitglieder seiner Entourage, die
sich die halbe Wirtschaft des Landes unter den Nagel gerissen hat,
sitzen in Haft. Die vor Kurzem noch omnipräsente Staatspartei schmilzt
wie Schnee in der Sonne. Die Jasmin-Revolution hat gesiegt. Tunesien ist
frei, freier denn je, seit es vor 55 Jahren die Kolonialherrschaft
abschüttelte.
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Europas Mitschuld |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 17.01.2011
Am Schluss ging alles schneller als gedacht, und die Tunesier
rieben sich täglich die Augen. Am Donnerstag verkündete ihr Präsident,
der 23 Jahre an der Macht war, er wolle nicht lebenslänglich, sondern
nur bis 2014 im Amt bleiben. Am Freitag flüchtete er ins Ausland. Am
Samstag wurde sein Nachfolger, keine 24 Stunden im Amt, schon wieder
durch einen neuen Mann ersetzt. Vieles erinnert - bei allen evidenten
Unterschieden - an den Untergang der DDR vor über 20 Jahren. Die
Menschen hatten die Angst und damit auch jeden Respekt vor der
etablierten Macht verloren. Jedes Zugeständnis, mit dem der
diskreditierte Potentat die Proteste eindämmen wollte, hätte vor einem
Monat noch seine Position gestärkt, bewies nun aber nur noch seine
Schwäche. Jeder Schritt, den er tat, kam zu spät.
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Ein verlorenes Jahr |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 12.01.2011
Der Goudou-Goudou, wie die Haitianer das Erdbeben in ihrer
kreolischen Landessprache lautmalerisch nennen, dauerte 37 Sekunden.
Dann lag Port-au-Prince in Trümmern. Der Nationalpalast, die Kathedrale,
der Justizpalast, die Nationalbank, die Universität, das Hauptquartier
der UN-Mission, 180 Regierungsgebäude und 105000 Häuser - alles Ruinen,
unter ihnen begraben 230000 Menschen. Es ist heute ein Jahr her.
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Die Schweizer Demokratie stößt an ihre Grenzen |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 29.11.2010
Der Biertisch hat obsiegt. Die Mobilisierung der Ressentiments
hat funktioniert. Die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei,
die eine Volksabstimmung über die Abschiebung krimineller Ausländer
erzwungen hat, nahm die Ängste der Bevölkerung nie ernst, sondern
schürte sie. Ihr Kalkül ist aufgegangen: Wer als Ausländer in der
Schweiz raubt, vergewaltigt, vorsätzlich tötet, mit Menschen oder Drogen
handelt oder Sozialleistungen erschleicht, wird fortan - so entschieden
gestern die Schweizer - ohne viel Federlesen abgeschoben. Der Rechtsweg
bleibt ausgeschlossen.
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Der Fluch der Armut |
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Thomas Schmid, Frankfurter Rundschau, 20.11.2010
Thomas Schmid
Erdbeben, Tornados,
Überschwemmungen und nun die Cholera. Haiti scheint ein von biblischen
Plagen heimgesuchtes Land, von Gott bestraft. So sehen es viele
Haitianer. Das Cholera-Bakterium vermehrt sich in rasender
Geschwindigkeit und rafft immer schneller immer mehr Leute dahin. Noch
ist unklar, ob die große Katastrophe eintrifft, ob es zum Massensterben
in den Elendsvierteln von Port-au-Prince kommt und in den Zelten, in
denen seit dem Erdbeben noch immer etwa die Hälfte der drei Millionen
Einwohner der Hauptstadt lebt.
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Kleinkredit für Papandreou |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 09.11.2010
Die Regierenden lieben es, den Regierten ihre Politik als
alternativlos zu verkaufen: Das traf auf Schröders Agenda 2010 zu, auch
auf Merkels Rettungsschirm für die Banken oder die Erhöhung des
Rentenalters. Politik wird dann zum Vollzug eines Diktats von
Sachzwängen. Die äußeren Umstände, die wirtschaftliche Konjunktur, die
demografische Entwicklung oder die internationale Lage müssen oft als
Ausrede herhalten, wenn es den Politikern an Willen und Fantasie
gebricht, Alternativen aufzuzeigen. Der Demokratie ist dies abträglich.
Wie soll sich der Bürger für die Politik interessieren, wenn es realiter
nichts mehr zu entscheiden gibt?
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Bosnien-Herzegowina bleibt eine Ethnokratie |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 05.10.2010
Bosnien-Herzegowina ist wohl der einzige Staat Europas, in dem
ein Jude nicht Präsident werden kann. Auch Roma haben keinen Zutritt zum
höchsten Staatsamt. Das dreiköpfige Präsidium muss mit einem
(muslimischen) Bosniaken, einem Serben und einem Kroaten besetzt werden.
So sieht es die Verfassung vor. In der bosnischen Ethnokratie hat keine
Chance, wer keiner der drei herrschenden Ethnien angehört oder sich
ethnisch nicht einordnen will.
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