Abgebranntes Land |
|
|
Thomas Schmid, 06.05.2010
GRIECHENLAND-KRISE - Mit einem Generalstreik wehren sich die
Griechen gegen die dramatischen Kürzungen. Die Proteste eskalieren, drei
Menschen sterben. Ökonomen warnen vor den Gefahren des
Sanierungskurses.
ATHEN. Zumindest an diesem Mittwoch scheint er der mächtigste
Mann Griechenlands zu sein. Yiannis Panagopoulos sitzt in seinem
Chefsessel. Er ist völlig ruhig, während Funktionäre herumwieseln,
Telefone klingeln, Akten gereicht werden und der Lärm von Sprechchören
in sein Büro dringt. Von seinem Balkon aus sieht man Tausende Menschen
zum Sitz der GSEE strömen. Die GSEE ist der Dachverband der griechischen
Gewerkschaften, und Panagopoulos ist ihr Boss. Seit Mitternacht
streiken die Fluglotsen. In Piräus, der Hafenstadt bei Athen, liegen die
Fähren zur griechischen Inselwelt vor Anker. In der Hauptstadt sind ab
zehn Uhr die Zugänge zur U-Bahn zugesperrt. Die Taxi-Chauffeure sind für
sechs Stunden in Streik getreten. Seit Dienstag schon sind staatliche
Ämter geschlossen, Lehrer und Steuereintreiber im Ausstand, die Ärzte
versehen nur einen Notdienst. Er wird diese Nacht mehr als üblich
gebraucht werden. Mit Verletzten wird gerechnet. Noch kann Panagopoulos
nicht wissen, dass der Generalstreik Menschenleben kosten wird. Drei
Menschen verbrennen in einer von Randalierern angezündeten Bankfiliale.
|
Weiterlesen...
|
|
Die Angst der Roma vor den Schwarz-Jacken |
|
|
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 13.04.2010
REGIERUNGSWECHSEL IN UNGARN - Die Konservativen lösen nach acht
Jahren die Sozialisten in Budapest ab. Dritte Kraft wird die
rechtsextreme Jobbik-Partei, die mit ihrer paramilitärischen Garde die
Minderheiten bekämpft.
BUDAPEST. Schmucke Einfamilienhäuser reihen sich aneinander.
Blühende Begonien in gepflegten Gärten, durch Zäune klar abgetrennte
Grundstücke, bewacht von Hunden. In Kistarcsa, einem Dorf zwanzig
Kilometer außerhalb von Budapest, ist alles sauber, aufgeräumt,
ordentlich. Fast alles. Über eine nicht asphaltierte Straße, die nach
jedem Regenguss zur Schlammpiste wird, erreicht man die Siedlung, in der
400 Roma wohnen. In Ungarn nennt man sie gewöhnlich "Ciganyok",
Zigeuner. Solange der Tonfall stimmt, ist dies nicht unbedingt
abschätzig gemeint.
|
Weiterlesen...
|
Das Erbe der Diktatoren |
|
|
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 10./11.04.2010
Ein Ex-Fußballer im Hungerstreik, ein abgesetzter Staatsanwalt,
ein entlassener Institutschef und ein Museumsleiter kämpfen für die
Aufarbeitung der Geschichte Rumäniens. Ein schwieriges Unternehmen
In einer kleinen Straße im Zentrum von Bukarest, versteckt
zwischen grauen Häusern und Plattenbauten, steht eine alte Villa, gebaut
um die vorletzte Jahrhundertwende. Von außen ist es ein unscheinbares
Gebäude. Doch in der großen Eingangshalle künden Marmor, Glasfresken und
Holztäfelung vom Reichtum des einstigen Besitzers, eines
Privatbankiers, dem das Haus als Bordell für betuchte Kunden diente. Die
Kommunisten verboten Prostitution wie Privatbanken und nahmen das
Gebäude in Beschlag, und nun, 20 Jahre nachdem die kommunistische Partei
abdanken musste, sitzt im Chefsessel hinter dem alten Schreibtisch ein
hagerer Mann mit grauem, eingefallenem Gesicht. Er zieht seine ärmellose
gepolsterte Jacke, den darunterliegenden schwarzen Pullover und das
Hemd hoch und zeigt seinen ausgemergelten Oberkörper. Teodor Maries ist -
nach eigenen Angaben - seit 70 Tagen im Hungerstreik, wiegt trotz
seiner beachtlichen Körpergröße von 1,85 Meter noch 55 Kilo und hat eine
Körpertemperatur um die 35 Grad.
|
Weiterlesen...
|
Du sollst dich nicht erwischen lassen |
|
|
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 22.01.2010
In Athen
schimpfen alle über Korruption und Klientelwirtschaft. Die neue
Regierung verspricht Änderungen und riskiert damit einen heißen Frühling
ATHEN.
Es ist schwierig, jemanden zu finden, der reden will. Alle sind
misstrauisch. "Nennen Sie mich Kostas", sagt schließlich Kostas, der
anders heißt, und bittet ins Hinterzimmer seines Geschäfts im Zentrum
von Athen, wo er sich auf ein durchgesessenes Sofa fallen lässt. Das
Büro ist vollgestopft mit leeren Kartons. Auf dem Tisch stapeln sich
Lieferscheine, leere Bestellformulare, auch einige Rechnungen. Über dem
alten Computer hängt eine Ikone: Die Muttergottes vergießt eine Träne.
Sie scheint mitzuleiden. "Es geht uns schlecht", klagt Kostas, "und es
wird noch schlimmer werden, man will uns an den Kragen. Ausgerechnet
jetzt, wo das Geschäft schlechter läuft als je." Er sagt es in recht
gutem Deutsch mit schwäbischem Akzent. Zehn Jahre hat der 59-jährige
Kostas bei Daimler gearbeitet. Vor 25 Jahren ist er in seine Heimat
zurückkehrt, um das Geschäft seines Vaters zu übernehmen. Während er im
Hinterzimmer jammert, wartet vorne im Laden seine Frau zwischen Töpfen,
Pfannen, Gläsern, Vasen und Staubsaugern auf Kunden.
|
Weiterlesen...
|
Vom Pott zum Erlebnispark |
|
|
Thomas Schmid, 02./03.01.2010
Das Ruhrgebiet zählt in diesem Jahr zu den Kulturhauptstädten
Europas. Metropole Ruhr nennt sich die Gegend jetzt - obwohl das ganz
schön übertrieben ist
ESSEN/DUISBURG. Melancholie schwingt in seiner Stimme mit, vor
allem aber Respekt vor den Menschen dieser so wenig geliebten Region.
"Das Ruhrgebiet hat es immer schwer gehabt", sagt Fritz Pleitgen,
"nichts wurde seinen Bewohnern geschenkt. Sie haben sich alles selbst
erarbeitet." Dann spricht er von den Wunden, die die Industrialisierung
der Landschaft zugefügt hat, und ergänzt: "Die Menschen bauen wieder
auf, was sie selbst zerstört haben."
Der Journalist, geboren in
Duisburg, einst ARD-Korrespondent in Moskau und danach in Washington,
ist in das Ruhrgebiet zurückgekehrt. Es sei ihm ans Herz gewachsen, sagt
er - ohne jedes Pathos, ganz bescheiden, und man glaubt es ihm sofort.
Schließlich ist es ein Stück Heimat. Er kennt den Menschenschlag im
Revier, und er mag ihn.
|
Weiterlesen...
|
|
|
|
<< Start < Zurück 1 2 3 4 5 6 7 8 Weiter > Ende >>
|
JPAGE_CURRENT_OF_TOTAL |