Einmal Zürich und nicht zurück |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 21.06.2010
Die Schweiz praktiziert die weltweit liberalste Regelung der
Sterbehilfe. Deshalb gibt es mittlerweile einen "Sterbetourismus", den
die Regierung nun eindämmen will
ZÜRICH. Der Weg zu dem Mann, den manche den Todesengel nennen,
führt durch blühende Landschaften. Wiesen und Wälder wechseln sich ab.
Der rote Regionalzug fährt zum Rücken des Pfannenstiels hoch, wie der
Hügelzug oberhalb von Zürich heißt. Am Horizont taucht ab und zu die
verschneite Kette der weit entfernten Hochalpen auf. Schließlich hält
der Zug in Scheuren, einem Dörfchen mit adretten Häusern und
blitzsauberen Autos vor den Garagen. Hier wohnt Ludwig A. Minelli.
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Sechs Wörter, die die Schweiz erschüttern |
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Die Eidgenossen stimmen am Sonntag darüber ab, ob der Bau von Minaretten künftig verboten wird
Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 28.11.2009
ALTNAU.
Auch in Altnau ist der Kulturkampf angekommen. Das Dorf mit seinen 2
000 Einwohnern liegt in einer friedlichen Landschaft, inmitten von
Obstplantagen, am schweizerischen Südufer des Bodensees. Im
schmucklosen Martinssaal der katholischen Kirchgemeinde haben sich
knapp 50 Personen versammelt, um dem Streit beizuwohnen. Es geht um
sechs Wörter. Sechs Wörter, die die Schweiz erschüttern: "Der Bau von
Minaretten ist verboten." Am Sonntag wird das Volk darüber abstimmen,
ob der Satz in die Verfassung aufgenommen wird. Am Saaleingang wird ein
Plakat verteilt. Es zeigt eine Schweizer Fahne, auf der sieben schwarze
Minarette wie Raketen in den Himmel ragen, daneben eine völlig
verschleierte Frau, die durch einen Sehschlitz blickt - nicht züchtig
zu Boden, sondern herausfordernd dem Betrachter direkt ins Gesicht.
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Aufruhr im Paradies |
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Thomas Schmid, Berliner Zeitung, 26.08.2009
Rund 300 000 Deutsche leben in der Schweiz. Doch je mehr sie werden, desto weniger werden sie in der neuen Heimat geliebt
ST.
GALLEN/BASEL/LUZERN: Ulrich Thielemann lebt gern in der Schweiz. Seit
elf Jahren wohnt er in St. Gallen, einer Stadt mit einer imposanten
Kathedrale, erbaut im Spätbarock, einer weltberühmten Stiftsbibliothek
und vor allem einer Universität mit internationaler Reputation. Zum
Bodensee ist es nicht weit, und auch die Berge liegen fast vor der
Haustür. Der Deutsche fühlt sich wohl hier. Aber verwurzelt sei er noch
immer nicht, sagt er. Wie so viele seiner Landsleute ist er wegen der
Arbeit gekommen. Thielemann, 48, ist Vizedirektor des Instituts für
Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen, die als Schweizer
Kaderschmiede für Führungskräfte gilt. Vielleicht erklärt dieser Ruf
die Heftigkeit der Reaktionen, die er jüngst über sich ergehen lassen
musste. Denn wo wirtschaftliche Kader geschmiedet werden, ist der Raum
für ethische Fragestellungen eng.
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Der Krieg gegen den Berg |
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Thomas Schmid - Berliner Zeitung - 30.06.2001
In der Schweiz wird am längsten Tunnel der Welt gebaut. Künftig sollen Hochgeschwindigkeitszüge durch 57 Kilometer lange Röhren die Alpen durchqueren
Einer nach dem andern klettern sie in den dreckigen Stahlkübel. 14 Mann passen hinein. Körper an Körper. Helm an Helm. Stiefel an Stiefel. Dann geht die Fahrt los. 43 Stundenkilometer, das ist nicht gerade schnell. Aber wenn man senkrecht Richtung Erdmittelpunkt sinkt, ist es wie im freien Fall. Zwölf Meter pro Sekunde. Im Stockdunklen. Die Felswände gleiten vorbei. Zweimal blitzt kurz ein Licht auf: Lüftungsschächte. Nach etwas mehr als einer Minute bremst der Eimer ab. Wir sind 800 Meter unterhalb der Erdoberfläche. Hier werden in zehn Jahren Hochgeschwindigkeitszüge fahren. Wir stehen in der Mitte des künftigen Gotthard-Basistunnels.
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Das Ende der grünen Fee |
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Thomas Schmid - Berliner Zeitung - 10.05.1997
Der Absinth war einst weit verbreitetes Modegetränk von Bohemiens, Künstlern und Müßiggängern. Doch dann wurde er zum Sündenbock für die sozialen Probleme der Jahrhundertwende und weltweit verboten. Frankreich trinkt seither Pastis. In der Schweiz aber wird die „grüne Fee“ weiterhin heimlich gebrannt.
Am 7. Oktober 1910 herrschte im Val de Travers Katerstimmung. Im abgelegenen Tal des Schweizer Jura schliefen viele ihren Rausch vom Vorabend aus. Man hatte noch einmal richtig gefeiert. Punkt Mitternacht war der Verfassungsartikel in Kraft getreten, der die Herstellung und den Verkauf von Absinth verbot. Fortan wurde der hochprozentige, grünlich schimmernde Schnaps, der im Kontakt mit Wasser milchig-trüb wird, unter dem Ladentisch gehandelt. Unter Freunden wird im Tal auch heute noch gern ein „interdit“, ein „Verbotener“ angeboten - ohne alle Heimlichkeit. Die Verfassung untersagt den Konsum schließlich nicht.
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